Der verstorbene CDU-Politiker Wolfgang Schäuble hat in seinen Memoiren über die Bemühungen des ehemaligen CSU-Chefs Edmund Stoiber berichtet, ihn während der Flüchtlingskrise dazu zu bewegen, Bundeskanzlerin Angela Merkel zu stürzen. Die Union befand sich laut Schäuble im Herbst 2015 in einer schwierigen Lage, und Stoiber setzte sich aktiv für Merkels Sturz ein, um selbst Kanzler zu werden. Schäuble lehnte dies jedoch entschieden ab, da er der Meinung war, dass dies der Partei langfristig schaden würde, ohne das eigentliche Problem zu lösen. Er betonte seine Überzeugung von Loyalität, die heutzutage möglicherweise als veraltet angesehen wird.
Schäuble unterstützte grundsätzlich Merkels Entscheidung, im Herbst 2015 die deutschen Grenzen für Flüchtlinge offen zu halten, äußerte aber auch Kritik an ihrem Handeln in der Flüchtlingsfrage. Er befand Merkels Entscheidung, die Grenzen angesichts der damaligen Zustände in Budapest offen zu halten, als richtig, betonte jedoch, dass dies nur der Anfang war und weitere Maßnahmen folgen mussten. Er empfand Merkel als beratungsresistent und bemerkte, dass sie andere Möglichkeiten gehabt hätte, politisch zu führen anstatt nur zu reagieren.
Schäubles Buch “Erinnerungen. Mein Leben in der Politik” wird kommende Woche veröffentlicht. Der langjährige Politiker war Kanzleramtschef, Bundesinnen- und Finanzminister, CDU-Vorsitzender und Bundestagspräsident. Trotz seiner Unterstützung für Merkel in der Flüchtlingskrise und seiner kritischen Anmerkungen blieb er loyal gegenüber der Kanzlerin. Schäuble verstarb am zweiten Weihnachtstag im Alter von 81 Jahren und wurde in Offenburg beigesetzt.