Nach der erfolgreichen Befreiung von vier israelischen Geiseln aus der Hand der Hamas gewinnt Israels Premierminister Benjamin Netanjahu an Rückenwind, da die Rettungsaktion seine Politik der militärischen Härte gegenüber der Hamas zu bestätigen scheint. Sein Erzrivale Benny Gantz zog sich aus der Regierung zurück, was Netanjahu, obwohl er weiterhin eine Mehrheit im Parlament hat, stärker den rechtsradikalen Koalitionspartnern ausgeliefert, insbesondere den religiösen Siedlern.
Gantz hatte Netanjahu bereits im Mai ein Ultimatum gestellt, eine Nachkriegslösung für Gaza vorzulegen, was dieser jedoch ignorierte. Nach der Geiselbefreiung war Gantz gezwungen, die Regierung zu verlassen, da er Netanjahus Politik nicht mittragen konnte. Er forderte Neuwahlen und versucht nun die Opposition zu stärken. Obwohl es nach der Rettungsaktion zu Anti-Netanjahu-Demonstrationen kam, unterstützen Umfragen zufolge die Mehrheit der Bevölkerung und Netanjahu die Fortführung des Gaza-Krieges zur Zerschlagung der Hamas.
Die Befreiungsaktion wurde von Eliteeinheiten der Armee und Geheimdienstagenturen durchgeführt, bei der zwischen 100 und über 200 Palästinenser getötet wurden. Die Hamas bezeichnete die Aktion als Massaker, während EU-Chefdiplomat Josep Borrell und andere die Freilassung aller Geiseln forderten. Die Hamas spielte den Erfolg der Israelis herunter und behauptete, bei der Aktion seien auch Geiseln ums Leben gekommen. Hanija, Auslandschef der Hamas, betonte den fortgesetzten palästinensischen Widerstand.
Die kommenden Wochen werden zeigen, ob Gantz sich erfolgreich als Alternative zu Netanjahu präsentieren kann, während Netanjahu verstärkt auf seine rechtsradikalen Koalitionspartner angewiesen sein wird, die eine Verhandlungslösung im Gaza-Krieg ablehnen. Die rechten Siedlerminister streben eine dauerhafte Besetzung des Gazastreifens an und erwägen sogar die Vertreibung der Palästinenser.